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Gutes Beispiel: Stadtbaumkonzept Jena

Beispiel für Handlungsempfehlung: Standort- und klimawandelgerechte Gehölzarten

Lage Jenas im Saaletal umgeben von bewaldeten Hängen (Bildquelle: Daniel Knopf/ThINK)

Abb. 1: Lage Jenas im Saaletal umgeben von bewaldeten Hängen

(Bildquelle: Daniel Knopf/ThINK)

Der Baumbestand in Siedlungsräumen ist einer Fülle von Einflussfaktoren ausgesetzt (Abbildung 2), zu denen bspw. eingeschränkter Wurzelraum, Bodenversiegelung, Verkehrsimmissionen und Streusalz zu zählen sind (Abbildung 4). Durch Baumaßnahmen und Bodenkontaminationen werden die Auswirkungen des Klimawandels verstärkt, darunter gehören allen voran häufigere und intensivere Hitze- und Trockenperioden, aber auch Starkregen und Starkwind. Gleichwohl generieren Bäume vielerlei positive Effekte (Ökosystemfunktionen) für das Kleinklima, die Lufthygiene, das Erscheinungsbild einer Ortschaft und somit für die Lebensqualität innerhalb dieser (Abbildung 3). Die große Herausforderung der Grünplanung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ist es daher, trotz sich klimawandelbedingt verschlechternder Rahmenbedingungen, die Quantität und die Qualität des kommunalen Baumbestands zu erhalten und möglichst zu erhöhen bzw. zu verbessern. Dabei erscheinen zwei Aspekte von grundlegender Bedeutung:

  1. Standortgerechtigkeit: Bei der Baumartenwahl in einem Planvorhaben sollte stets darauf geachtet werden, dass die Standortbedingungen, also die Anforderungen des Standorts an eine Bepflanzung, größtmöglich mit den Eigenschaften des Baumes, sprich Bodenansprüche, Trockenstresstoleranz, Salzverträglichkeit u.v.m., korrespondieren, um eine hohe Vitalität und Langlebigkeit und somit Funktionalität der Pflanze zu gewährleisten.

  2. Artenvielfalt: Durch den Klimawandel verschärfen sich die Ungunstfaktoren für Stadtbäume; zum einen direkt, durch insgesamt höhere Temperaturen und längere Trockenperioden, aber auch indirekt, durch eine Zunahme von Krankheiten und Befallsschäden. Um dem vorzubeugen, muss der kommunale Baumbestand ein möglichst breites Spektrum vieler verschiedener Gattungen und Arten aufweisen. Und, um das Befallsrisiko zu mindern, sollten große Bestandszahlen einzelner Gattungen bzw. Arten möglichst vermieden werden.

Um diesen grundlegenden Anforderungen an die künftige Grünplanung gerecht werden zu können, empfiehlt sich eine gesamtstädtische, konzeptionelle Herangehensweise. Die Stadt Jena hat als eine der ersten Kommunen in Deutschland ein gesamtstädtisches Stadtbaumkonzept erarbeitet, das neben gestalterischen und baumbiologischen Fragestellungen auch die Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigt.

Herausforderungen und positive Effekte des Grüns im urbanen Raum (Bildquelle: Alexandra Nozik/ThINK)

Abb. 2: Herausforderungen und positive Effekte des Grüns im urbanen Raum

(Bildquelle: Alexandra Nozik/ThINK)
Stadtbäume bieten kühlende und schattenspendende Wirkung und schaffen damit einen angenehmen Erholungsraum in der Stadt (Bildquelle: Daniel Knopf/ThINK)

Abb. 3-1: Stadtbäume bieten kühlende und schattenspendende Wirkung ...

(Bildquelle: Daniel Knopf/ThINK)

Abb. 3-2: ... und schaffe einen angenehmen Erholungsraum in der Stadt

(Bildquelle: Daniel Knopf/ThINK)
Stadtbäume müssen urbanen Stressfaktoren standhalten. Ungesundes Erscheinungsbild einer Linde am Fürstengraben (Bildquelle: Daniel Knopf/ThINK)

Abb. 4-1: Stadtbäume müssen urbanen Stressfaktoren standhalten. Ungesundes Erscheinungsbild einer Linde an einer stark befahrenen Straße

(Bildquelle: Daniel Knopf/ThINK)
Versiegelung in der Friedrich-Engels-Straße.  (Bildquelle: Daniel Knopf/ThINK)

Abb. 4-2: Kleine Baumscheiben und versiegelte Oberflächen

(Bildquelle: Daniel Knopf/ThINK)
(Bildquelle: Daniel Knopf/ThINK)

Abb. 4-3: Auswirkungen von Salzeintrag auf den Vitalitätszustand

(Bildquelle: Daniel Knopf/ThINK)

Die Stadt Jena erarbeitete in der Zeit von Oktober 2014 bis März 2016 das Stadtbaumkonzept „Bäume in Jena – Stadt- und Straßenbäume im Klimawandel“, wissenschaftlich bzw. fachlich unterstützt durch das Thüringer Institut für Nachhaltigkeit und Klimaschutz (ThINK), Prof. Dr. Andreas Roloff (TU Dresden) sowie Ulrich Boock (Landschaftsarchitekt Jena). Die regelmäßig tagende Arbeitsgruppe setzte sich neben den genannten WissenschaftlerInnen und PlanerInnen aus VertreterInnen des Fachbereichs Stadtentwicklung und Stadtplanung einschließlich der Unteren Denkmalschutzbehörde, des Fachdienstes Umweltschutz sowie des Eigenbetriebs Kommunalservice Jena (Grünanlagen-/Baumpflege) zusammen.

Zunächst wurde eine Aus- und Bewertung des Stadtbaumbestandes auf der Grundlage des Baumkatasters (Stand Oktober 2014) vorgenommen. Dabei wurde deutlich, dass sich der Bestand zu mehr als der Hälfte aus lediglich drei Gattungen (Ahorn, Linde, Esche) zusammensetzt. Um die somit bestehende starke Exposition des Baumbestandes gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels (insb. zunehmende Hitze- und Trockenperioden) bzw. gegenüber Schadorganismen zu minimieren, sollte auf einen vielfältigeren und ausgewogeneren Baumbestand hingewirkt werden.

Auf dieser Grundlage wurden Empfehlungen für künftige Neu- und Ersatzpflanzungen für verschiedene Stadträume mit unterschiedlichen standörtlichen, gestalterischen sowie klimatischen Gegebenheiten herausgearbeitet. Alle wesentlichen Standort- sowie Klimafaktoren (Boden, Versiegelung, Streusalzbelastung etc.) wurden dabei detailliert untersucht und mittels geeigneter Methoden zu Standort-/Raumtypen zusammengefasst (Beispiel in Abbildung 5).

Für die Standorttypen wurden jeweils Baumartenempfehlungen erarbeitet, die aufgrund ihrer Eigenschaften (Trockenstresstoleranz, Umgang mit versiegeltem/verdichtetem Boden, Adaptionsvermögen etc.) mit den gegebenen Standort- und Klimabedingungen am besten korrespondieren sollten. Bei der Zusammenstellung der Baumarten wurde auf eine Liste aus über 200 Arten zurückgegriffen. Dabei wurden bevorzugt sogenannte Klimabäume in den Fokus gesetzt, also Baumarten, die hinsichtlich der künftigen klimatischen Bedingungen besonders tauglich erscheinen. Bewährte Baumarten wurden gleichzeitig an Standorten, an denen diese auch weiterhin geeignet sind, ebenfalls verstärkt berücksichtigt.

Beispielsteckbrief aus dem Stadtbaumkonzept mit Baumartenempfehlungen (Bildquelle: Stadt Jena)

Abb. 5: Beispielsteckbrief aus dem Stadtbaumkonzept mit Baumartenempfehlungen

(Bildquelle: Stadt Jena)

Über die Auswahl der geeigneten Baumarten hinaus, auf welche das Stadtbaumkonzept ausgerichtet ist, achtet die Stadt Jena auf weitere Aspekte bei der Pflanzung und Pflege von Stadtbäumen, die generell auch in anderen Kommunen zur Ertüchtigung des Stadtgrüns verstärkt Beachtung finden sollten:

  • durchgehende Wurzelgräben
  • Substrat mit Luft- und Wasserspeicherung
  • Belüftungsstäbe
  • Wassersäcke zur Bewässerung
  • Abwägen von Oberflächenwasserzufuhr vs. Salzeintragsrisiko
  • Regelquerschnitte der Pflanzgruben nach FLL-Richtlinie

Das Stadtbaumkonzept Jena wurde im April 2016 durch den Jenaer Stadtrat beschlossen und dient seitdem als kommunale Handlungsgrundlage bei Planvorhaben in der Stadt. Über die Stadt-/Grünplanung in Jena hinaus findet es Anwendung beim Eigenbetrieb Kommunalservice Jena, welcher maßgeblich mit den Ersatzpflanzungen betraut ist, sowie bei ansässigen größeren Betrieben und Unternehmen. Silvia Streibich vom Fachdienst Stadtplanung in Jena sagt dazu:

„Das Stadtbaumkonzept Stadt- und Straßenbäume im Klimawandel stellt ein gutes Arbeitshandbuch dar. Besonders die Einteilung des Konzepts in Raumtypen ist sehr anwendungsorientiert, da für spezifische unterschiedliche urbane Bedingungen Empfehlungen für Baumarten aus einer insgesamt umfangreichen Liste zusammengestellt sind. Das erleichtert uns die Arbeit erheblich, da wir ortsspezifisch und direkt  Bäume auswählen können, welche sich gut für den jeweiligen Standort eignen. Über die Arbeit im Haus hinaus verweisen wir auch gerne bei Anfragen aus der Bürgerschaft oder aus anderen Kommunen auf das Konzept, welches als PDF auf unserer Webseite bereitgestellt wird. Beispielsweise hat vor kurzer Zeit eine Eigentümergemeinschaft aus Jena angefragt, welche Baumart für eine Ersatzpflanzung wir ihnen empfehlen würden. Durch den Verweis auf das Stadtbaumkonzept konnte unkompliziert eine passende Auswahl getroffen werden.“

Ein aktuelles Beispiel für die Anwendung der Baumartenempfehlungen des Stadtbaumkonzeptes in der Stadtplanung ist die „Umsetzung Konzept Stadt- und Straßenbäume in Jena – Gestaltbäume Jena Nord/Naumburger Straße, Neubau Straßenbahn“, welche im Auftrag der Stadt vom Büro Stock Landschaftsarchitekten durchgeführt wurde. Die Abbildungen 6 und 7 verdeutlichen die Kombination aus differenzierter Baumartenauswahl für den Standort mit der Planung der notwendigen Pflanzgruben.

Abb. 6: Beispiel einer Pflanzgrube (Typ 5: Überbaut) bei der Umsetzung des Stadtbaumkonzepts in der Naumburger Straße

Abb. 6: Beispiel einer Pflanzgrube (Typ 5: Überbaut) bei der Umsetzung des Stadtbaumkonzepts in der Naumburger Straße

Bildquelle: Stock Landschaftsarchitekten
Abb. 7: Ausschnitt aus dem Entwurf zur Umsetzung des Stadtbaumkonzepts in der Naumburger Straße

Abb. 7: Ausschnitt aus dem Entwurf zur Umsetzung des Stadtbaumkonzepts in der Naumburger Straße

Bildquelle: Stock Landschaftsarchitekten