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Gutes Beispiel: Konzepte zur Rückhaltorientierten Ackerbewirtschaftung in der ehemaligen Gemeinde Ilmtal

Beispiel für Handlungsmöglichkeit: Außengebietsentwässerung und land- und forstwirtschaftliche Überflutungsvorsorge

Siedlungen die orografisch tiefer liegen als ihre Umgebung sind in der Regel stärker von Überflutungen infolge von Starkregenereignissen betroffen. Durch das materialbeladene Außengebietswasser kommt es häufig zu Verklausungen von Einlaufbauwerken der Kanalnetze, in dessen Folge sich das Wasser neue Wege sucht. Primäres Ziel ist es daher, das Außengebietswasser abzuleiten oder in der Fläche zurückzuhalten. Der Außenbereich von Siedlungen wird häufig als Acker- oder Grünland bewirtschaftet. Dieses kann prinzipiell gut zum dezentralen Rückhalt der Abflüsse bei Starkregenereignissen genutzt werden.

überflutete Dorfstraße

Abb. 1 & 2: Überflutungen infolge von Starkregenereignissen in der ehemaligen Gemeinde Ilmtal

(Bildquelle: Peer Schulze)
Wasser fließt in Folge einer Überflutung durch einen Gartenzaun die Dorfstraße weiter

Die landwirtschaftliche Überflutungsvorsorge kann vielseitig umgesetzt werden. Die ehemalige Gemeinde Ilmtal, die eine ausgeprägte Topografie und zahlreiche Gewässer 2. Ordnung aufweist, hat als Modellregion für nachhaltigen und wirtschaftlichen Schutz gegen Überflutungen aus unbefestigten Einzugsgebieten, verschiedene Konzepte erstellt. In der Vergangenheit kam es in der Gemeinde infolge lokaler Starkregen zu flächigen Bodenerosionen im Bereich der landwirtschaftlich genutzten Flächen mit einem einhergehenden Verlust von wertvollem Oberboden und im Anschluss daran zu teils schweren Sachschäden im privaten und öffentlichen Bereich durch Flutungen sowie Schlamm- und Gerölleintrag in die örtlichen Gewässer- bzw. Kanalnetze (Abbildungen 1 bis 3).

zerstörter Zaun mit angeschwemmten Gras

Abb. 3: Schaden nach einer Überflutung

(Bildquelle: Peer Schulze)
Karte mit Höhenlinien des Einzugsgebietes Ilmtal

Abb. 4: Einzugsgebiet der Modellregion Ilmtal

(Bildquelle: Offene Geodaten Thüringen)

Aufgrund ihrer deutlichen Vulnerabilität gegenüber Überflutungen initiierte die ehemalige Gemeinde Ilmtal die Hochwasserschutzplanung für Stadtilm, Ilmtal und Witzleben. Neben den  Verwaltungen zählen die Straßenbaulastträger, das Landwirtschaftsamt  Rudolstadt sowie die Untere Wasser- und Naturschutzbehörde zu den wesentlichen Akteuren. Die Wahl der Modellregion fiel aufgrund ihrer repräsentativen Einzugsgebiete auf drei Ortschaften in der Kalmregion im Osten der Gemeinde. Darin beinhaltet sind die Ortschaften Großliebingen mit einem relativ homogenen Einzugsgebiet, Kleinhettstedt mit mehreren tief eingeschnittenen großflächigen Einzugsgebieten und Döllstedt hinsichtlich des muldenförmigen, auf die Ortslage ausgerichteten Einzugsgebiets (Abbildung 4).

Im ersten Schritt des Hochwasserschutzkonzeptes der Gemeinde Ilmtal soll die Bestandssituation aufgenommen werden, indem alle Gräben, Wälle, Hohlwege, Raine und dazugehörige Anlagen, die einen Einfluss auf die Entwässerung haben, dokumentiert werden. Des Weiteren soll die Topographie und Topologie des Einzugsgebiets auf die räumliche Ausdehnung und die Abflusswirkung untersucht werden. Statistische Erhebungen sollen historisch und gegenwärtig die Niederschlagsentwicklung in der Region aufzeigen, um Rückschlüsse auf einzelne Kriterien zu ziehen.

Um das Überflutungsrisiko durch Starkregen zu mindern, setzt die Gemeinde Ilmtal in ihrem Konzept auf „die Summe kleiner Maßnahmen“. So ist das Konzept in verschiedene Schwerpunkte unterteilt, die jeweils kleinere Maßnahmen beinhalten. Einen Schwerpunkt stellt der intensive und extensive Regenrückhalt dar. Dieser umfasst unter anderem:

  • (Wieder)Herstellung unbewirtschafteter Streifen zwischen den Feldern, sogenannte Randstreifen sowie Feldrainen mit Bodenfiltern, die durch ihren dichten Strauch- und Unterwuchs vor übermäßiger Bodenerosion bei Starkregenereignissen schützen (Abbildungen 5 & 6).
  • Instandsetzung bzw. Errichtung von Grabensystemen, die mit Rohrdrosseln versehen den Abfluss verzögern (Abbildungen 7 & 8). Die Rohrdrosseln können bei Starkregen geschlossen und die Gräben als Retentionsräume genutzt werden. Der Vorteil von Anlagen mit Regel- oder Drosselorganen besteht darin, dass diese auch für heftige hintereinander auftretende Niederschläge geeignet sind, da sie, im Gegensatz zu einfachen Retentionsbecken, kontrolliert abgelassen werden können.
  • Modifizierung der Topographie in Kleinstbereichen, um eine Veränderung des Abflussverhaltens und der Abflussrichtung zu erzielen, wodurch das Wasser in ein Gebiet mit weniger Schadensrisiko geleitet werden kann. 
  • Optimierung der landwirtschaftlichen Flächennutzung, z. B. hangparallele Bewirtschaftung, naturbelassene Gestaltung von Randstreifen, Böschungsköpfen und Wegrändern, Anpassung der Fruchtfolge

Die ehemalige Gemeinde Ilmtal, welche zwischenzeitlich in die Stadt Stadtilm eingemeindet wurde, sieht ein großes Potenzial zur Überflutungsvorsorge in den geplanten Maßnahmen, deren Umsetzung aktuell jedoch noch weitgehend aussteht. Die konzeptionellen Betrachtungen des Schutzes gegen Schäden im Fall von Starkregenereignissen wurden in den Jahren 2017 bis 2019 erarbeitet und beliefen sich auf Kosten von rd. 35.000 €, die mit 80 % durch den Freistaat Thüringen im Rahmen der „Aktion Fluss – Thüringer Gewässer gemeinsam entwickeln“ gefördert wurden.

Feldrand mit Graben

Abb. 5: Negativbeispiel eines Feldraines

(Bildquelle: Peer Schulze)
Feldrand mit optimalen bewachsenen Randstreifen

Abb. 6: Sollsituation einer Feldgrenze mit Randstreifen/Feldrain

(Bildquelle: Peer Schulze)
Feld aus Vogelperspektive mit Schlamm- und Geröllfanganlage

Abb. 7: Schlamm- und Geröllfang an einem Feldrand

(Bildquelle: Peer Schulze)
Wassergraben in Feld mit aufgeschüttetem Geröllhindernis zur Regenrückhaltung

Abb. 8: Regenrückhaltung in einem Graben

(Bildquelle: Peer Schulze)

(Stand der Ausarbeitung/Redaktionsschluss: Mai 2021)