Baumfreundlicher Einsatz von Winterstreugut
Die Aufgabe der Autobahn- und Straßenmeistereien bzw. der Grundstückseigentümer ist es, für die Verkehrssicherheit von Straßen, Geh- und Radwegen zu sorgen – auch bei extremen Witterungen mit Eis und Schnee. Die Anforderungen an den Winterdienst unterscheiden sich dabei je nach der Wetterlage und den örtlichen Gegebenheiten. Neben der Räumung und Streuung mit abstumpfenden Mitteln (z. B. Splitt, Blähton) kommen häufig auch Streusalze in großen Mengen zum Einsatz.
Für Straßenbäume beginnt damit der Salzstress. Während kleine Salzmengen essentiell zur Baumnahrung gehören, richten große Konzentrationen massiven Schaden an:
- Stoffwechselstörungen durch verändertes Nährstoffangebot (salzreiches, hinsichtlich anderer Nährstoffe verarmtes Bodenwasser)
- Wachstumsreduzierung (langsamere Holzbildung, verkürzte Wachstumsphase, Rückgang der Gesamtbiomasse, weniger Nachproduktion von Knospen, Trieben, Blattwerk, Wurzelmasse)
- direkte Gewebeschäden bei starker Salzkonzentration, Zerstörung der Feinwurzeln
- verminderte Widerstandsfähigkeit gegenüber Schadorganismen
- Blattrandnekrosen und verfrühter Laubabwurf
Abb. 1: Blattrandnekrosen an einer Linde
Bäume nehmen die salzreiche Bodenlösung über ihre Wurzeln auf, so dass ihr Salzgehalt in ungesunde Dimensionen ansteigt. Treiben im Frühling die Blätter wieder aus, gelangt mit den Säften auch das Salz ins Blatt. Das hat fatale Folgen. Bäume verdunsten über die Spaltöffnungen an den Blattunterseiten Wasser, kühlen und befeuchten so die Umgebungsluft. Bei Trockenheit schließen sie diese wieder, um sich vor Trockenstress zu schützen. Das Salz im Blatt verhindert nun, dass die Spaltöffnungen sich schließen können – der Baum transpiriert unentwegt weiter und trocknet langsam aus. Blattrandnekrosen, d. h. bräunlich verfärbte, tote Blatträndern, sind die Folge. Zahlreiche beliebte Stadtbaumarten, wie Kastanie, Hainbuche, Baum-Hasel, Mehlbeere sowie Ahorn und Linde sind hiervon besonders betroffen.
Nicht nur der Baum, auch der Boden wird durch Auftausalze nachhaltig geschädigt, u. a.:
- Veränderung der Bodenstruktur (herabgesetzte Stabilität, Verschlämmung, weniger Bodenluft)
- Schädigung und Absterben von Pilzen und Kleinlebewesen
- Verdrängung der Bodennährstoffe durch Chlorid-Ionen
Winterdienste bringen häufig über einen längeren Zeitraum immer wieder Auftausalze aus, die sich im Boden der Baumstandorte anreichern. Die Folgeschäden können hohe Kosten verursachen, wenn etwa der Boden am Baumstandort ausgetauscht und der Baum durch aufwendige Pflege revitalisiert oder komplett ersetzt werden muss. Materialschäden an Fahr- und Werkzeugen durch Salzkorrosion schlagen ebenfalls zu Buche. Empfehlenswert ist es daher, Auftausalze nur dann einzusetzen, wenn es unumgänglich ist, wie bei extremen und kurzfristigen Witterungen (z. B. Blitzeis) und Gefahrenhotspots (Treppen, Steigungen, Verkehrsknotenpunkte u. ä.). Flüssig- oder Feuchtsalzverfahren sparen an dieser Stelle Salz.
Eine Lösung für die Straßenmeistereien kann der sogenannte ‚differenzierte Winterdienst‘ sein. Bei dieser umweltverträglicheren Praxis wird der Einsatz von Auftausalzen über folgende Maßnahmen deutlich reduziert:
- ‚Weißer Winterdienst‘ – untergeordnete Straßen bleiben unberäumt bzw. Schneedecke wird teils beräumt, teils festgefahren und ggf. mit abstumpfenden Mitteln (z. B. Splitt, Blähton, Streusand) bestreut
- ‚Schwarzer Winterdienst‘ – wichtige Verkehrswege frühzeitig beräumen, so dass sich keine Schneedecke ausbilden kann, ggf. anschließend streuen (Streugut deutlich reduziert)
- aktuelle Streuplanung nach Ortslage, aktueller Wettervorhersage
- möglichst Einsatz von chloridfreiem Streugut, z. B. abstumpfendes Granulat (Schotter, Splitt, Blähton, Streusand, organisches Granulat) oder
- Verwendung salzsparender Flüssigverfahren (Sohlesprühung) oder Feuchtsalzverfahren
- Nutzung innovativer Ausbringungs- und Dosiertechniken (z. B. Thermostreuer)
Abb. 2: Ohne Streusalz gedeihen Kastanien zu prächtigen, alten Baumriesen
Abb. 3: Salzfreies Winterstreugut kann die Salzbelastung für Straßenbäume deutlich reduzieren
Kompromisse und Lösungen für die Stadtbäume können von den Entscheidungsträgern der Bereiche Verkehr und Kommunalgrün ausgehandelt werden. Das stadtweite Verbot von Streusalzen und Auftaumitteln im Bereich von Baumstandorten wird von vielen Städten bereits durch eine kommunale Baumschutzsatzung umgesetzt. Im privaten Bereich können saisonale Informationskampagnen und gezielte Öffentlichkeitsarbeit helfen, das Bewusstsein für Baumschädigungen durch Streusalz in der Bevölkerung zu wecken.
Siehe auch: Gutes Beispiel "Differenzierter Streuguteinsatz in Gotha"
Erläuterung:
■ rot/orange: schlecht bzw. Verschlechterung, negativer Einfluss
■ gelb: neutral bzw. nicht relevant, kein/kaum Einfluss
■ hellgrün: gut bzw. geringfügiger positiver Einfluss
■ grün: sehr gut bzw. positiver Einfluss
■ dunkelgrün: ausgesprochen gut bzw. deutlicher positiver EinflussParameter:
Wirkung: Effektivität der Maßnahme im Sinne der Klimaanpassung
Wirtschaftlichkeit: Kosten-Nutzen-Verhältnis (Initial- und Folgekosten)
Gestaltung: Raumwirkung, Beeinflussung des Lebensumfelds
Akzeptanz: Beeinflussung der Lebensqualität, mögliche Widerstände
Biodiversität: Beeinflussung der Artenvielfalt/Lebensräume
Nachhaltigkeit: Langlebigkeit/Beständigkeit, Ressourceneffizienz
Ansprechpartner:
Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur GmbH (ThEGA)
(www.thega.de)
TMIL – Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (infrastruktur-landwirtschaft.thueringen.de)
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU)
(www.bmu.de)
Förderung
Thüringen
Thüringer Städtebauförderungsrichtlinien (ThSt-BauFR)
(www.infrastruktur-landwirtschaft.thueringen.de/unsere-themen/bau/staedtebau/staedtebaufoerderung)
Stiftung Naturschutz Thüringen: Umweltlotterie - „Naturschutz beginnt vor der Haustür – in kleinen Schritten zu einem bunten, lebenswerten Wohnumfeld“
(www.stiftung-naturschutz-thueringen.de/umweltlotterie-foerderung.html)
Bund
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH - Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel
(www.z-u-g.org/aufgaben/foerderung-von-massnahmen-zur-anpassung-an-den-klimawandel)