Abflusslenkung, Notwasserwege, Straßenentwässerung
Seltene extreme Starkregenereignisse überlasten häufig schnell die kommunale Kanalisation. Überstau in den Straßenraum und Überflutung der angrenzenden Bebauung bei anhaltenden Niederschlägen können dann die Folge sein. Hier gilt es, Schäden zu vermeiden und vor allem Siedlungsbereiche und kritische Nutzungen mit hohem Schadensrisiko vor Überflutungen zu schützen. Der Straßenraum kann dafür zwei wichtige Beiträge leisten. Zum einen stellt er einen temporären Speicher für das Niederschlagswasser dar. Zum anderen können Straßen und Wege als Notwasserwege genutzt werden, um Starkregenabflüsse gezielt schadensarm abzuleiten.
Wieviel Wasser zeitweilig zwischengespeichert werden kann, wird durch die niedrigste Gehweghinterkante bestimmt. Sie gibt den Einstaupegel an, ab dem Schaden für die angrenzende Bebauung und ihre Bewohner entstehen kann. Möglichkeiten zur Steigerung des Einstauvolumens sind z. B.:
- Einbau einer Mittelrinne bzw. Erhöhung der Querneigung zu einer bestehenden Mittelrinne
- Tieferlegen der Straßenoberfläche
- Höherlegen der Bordsteinoberkante in Relation zur Gehweghinterkante
Abb. 1: Leichtes Gefälle zur Straße, höhere Einbordungen und sickerungsfähige Grünflächen reduzieren das Risiko für Wasserschäden auf Grundstück
Die Abflusslenkung über Notwasserwege kann gezielt zur Überflutungsvorsorge eingesetzt und gesteuert werden. Zwar wird die generelle Fließrichtung naturgemäß durch die Topographie vorgegeben und stets Tiefpunkten zuströmen. Der Weg des Wassers kann jedoch mit Hilfe technischer Maßnahmen und geschickter Planung beeinflusst werden, v. a. durch:
- hohe Einbordung (muss gegen Belange wie Barrierefreiheit und Verkehrssicherheit abgewogen werden)
- Anlage künstlicher und Einbeziehung natürlicher Erhöhungen (z. B. Bodenschwellen vor Tiefgaragen, Aufwallungen, Dämme)
Als Notwasserwege eignen sich dabei nur Straßen und Wege untergeordneter Relevanz, damit wichtige Hauptverkehrsachsen für den Ernstfall passierbar bleiben und Versorgungs- und Hilfsketten gesichert sind. Sie können gem. § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB frühzeitig zur Regelung des Wasserabflusses gesichert werden.
Der Einstau und die Lenkung der Starkregenabflüsse im Straßenraum müssen immer zusammen mit der Straßenentwässerung geplant werden, um Risiken auf den Verkehrsflächen, im direkten Umfeld der Straßen und Wege und für die Unterlieger zu minimieren. Gefahr besteht bei Straßen mit starkem Längsgefälle, wo die Abflüsse schnell hohe Geschwindigkeiten erreichen und Personen, Fahrzeuge u. ä. Mitreißen können. Sinnvolle Vorsorgemaßnahmen sind z. B.:
- Anlage aufeinander folgender Querrinnen in Fließrichtung, inklusive leichter Stufung im Straßengefälle, um Wassereinspeisung in Querrinnen zu befördern
- starke Querneigung der Straßenoberfläche zur besseren Ableitung in Einläufe oder ausgebaute Seitenbereiche (z. B. Straßengraben mit Einlaufbauwerk, Geröllfang und/oder Flutmulde)
- Einbau leistungsstarker Einläufe (z. B. Bergeinläufe)
- Reihenanordnung mehrerer Einläufe in Fließrichtung
Abb. 2: Straßeneinläufe sollten für den Ernstfall ausgelegt sein und regelmäßig gereinigt werden
Bei weniger geneigten Straßen und Wegen kann es zweckmäßig sein, die Einläufe gezielt leistungsschwächer auszulegen, um das hydraulische Leistungsvermögen der Kanalisation nicht zu überlasten oder eine bewusst verzögerte Einleitung des Regenüberschusses zu erwirken. Unabhängig davon, ob die Einläufe zur vollständigen und zügigen Einleitung in die Kanalisation oder zur zeitweisen Zwischenspeicherung im Straßenraum ausgelegt sind, sollte sie regelmäßig gewartet und funktionstüchtig erhalten werden. Dafür müssen folgende Punkte beachtet werden:
- Abstand zu laubwerfenden Bäumen (mindestens 3,5 m), um Verstopfung durch Laub und Wurzeln zu verhindern
- Einlauf zweckmäßig auswählen (Größe des Einlaufquerschnitts, Einlauföffnung horizontal, vertikal oder kombiniert)
- Nutzung großer Schlammfänger
- regelmäßige Säuberung durch Straßenreinigung (Intervalle für bevorzugte Fließwege ggf. verkürzen)
Abb. 3: Parkende Autos behindern Straßenreinigung
Zudem kann die Bevölkerung aufgerufen werden, verstopfte Einläufe zu melden. Dadurch wird gleichzeitig die Sensibilisierung für das Thema Starkregen aufrechterhalten.
Erläuterung:
■ rot/orange: schlecht bzw. Verschlechterung, negativer Einfluss
■ gelb: neutral bzw. nicht relevant, kein/kaum Einfluss
■ hellgrün: gut bzw. geringfügiger positiver Einfluss
■ grün: sehr gut bzw. positiver Einfluss
■ dunkelgrün: ausgesprochen gut bzw. deutlicher positiver EinflussParameter:
Wirkung: Effektivität der Maßnahme im Sinne der Klimaanpassung
Wirtschaftlichkeit: Kosten-Nutzen-Verhältnis (Initial- und Folgekosten)
Gestaltung: Raumwirkung, Beeinflussung des Lebensumfelds
Akzeptanz: Beeinflussung der Lebensqualität, mögliche Widerstände
Biodiversität: Beeinflussung der Artenvielfalt/Lebensräume
Nachhaltigkeit: Langlebigkeit/Beständigkeit, Ressourceneffizienz
Ansprechpartner
TMIL – Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft
(www.infrastruktur-landwirtschaft.thueringen.de)
TMUEN – Hochwasser- und Gewässerschuztz
(umwelt.thueringen.de/themen/boden-wasser-luft-und-laerm/hochwasser-und-gewaesserschutz)
TLUBN – Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz
(tlubn.thueringen.de/wasser)
Landkreise und kreisfreie Städte (Untere Wasserbehörde)
Stadtplanungs-, Umwelt-, Tiefbau- und Verkehrsamt
Kommunale Entwässerungsbetriebe
Förderung
Thüringen
TMIL (Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft) (2020): Straßenbauförderung. Richtlinie zur Förderung von kommunaler Verkehrsinfrastruktur in Thüringen
(infrastruktur-landwirtschaft.thueringen.de/unsere-themen/verkehr-und-strassenbau/verkehrsinfrastruktur/foerderung)
TMUEN (Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz) (2020): Richtlinie über die Förderung des Hochwasserschutzes und der Fließgewässerentwicklung in Thüringen im Rahmen der „Aktion Fluss - Thüringer Gewässer gemeinsam entwickeln“ vom 21.08.2020
(www.aufbaubank.de/Foerderprogramme/Hochwasserschutz-und-Fliessgewaesserentwicklung-Foerderung)