Ausbau und Optimierung der Kanalnetze
Abwasserbeseitigung gehört zu den Pflichtaufgaben einer Gemeinde (§ 47 ThürWG i. V. mit § 56 WHG). Als Abwasser wird dabei neben dem menschgemachten Schmutzwasser das Niederschlagswasser definiert, das im Kommunalgebiet auf befestigten und versiegelten Flächen abfließt (§ 54 WHG). Wild abfließendes, sog. Außengebietswasser, wird sobald es das Siedlungsgebiet erreicht bzw. in die Kanalisation eintritt, ebenfalls zu Abwasser.
Kommunale Kanalsysteme werden nach Bemessungsregen (häufige Niederschlagereignisse mit einer Jährlichkeit von 1 bis 5 Jahren) für die Belastungssituationen Überstau (Volllauf der Kanalisation und Einstau bis zur Gelände-/Bordsteinoberkante) und Überflutung dimensioniert. Das Ziel ist eine nutzungsbezogene, angemessene Entsorgungssicherheit durch die Entwässerungsnetze. So dürfen bei der Neuplanung von Kanalisationen bspw. ländliche Gebiete häufiger überstaut (alle 2 Jahre) und überflutet (einmal in 10 Jahren) werden als Stadtzentren, Industrie- und Gewerbegebiete (Überstau seltener als einmal in 5 Jahren, Überflutung einmal in 30 Jahren). Überflutungshotspots, wie Unterführungen, sollten künftig so geplant werden, dass nur einmal in 50 Jahren der Ernstfall eintritt. Dafür muss auch das zufließende Außengebietswasser berücksichtigt werden.
Kommunen können im Rahmen ihrer Abwasserbeseitigungspflicht einen Grundbeitrag zur Überflutungsvorsorge leisten (kommunaler Überflutungsschutz). Sie sind jedoch nicht verpflichtet, ihre Entwässerungssysteme für die schadlose Ableitung seltener oder extremer Starkregenereignisse auszulegen. Allerdings sind Risikoabschätzungen aufgrund der steigenden Wahrscheinlichkeit extremer Niederschläge empfehlenswert. Ob ein Kanalausbau sinnvoll ist, hängt neben seiner erforderlichen Vergrößerung auch von seiner Lage ab. Bringt schon eine kleine bauliche Optimierung großen Vorteil bzw. erfordert die umgebende Gebietsnutzung besonderen Schutz, könnte der Ausbau der Kanalisation in Betracht gezogen werden.
Abb. 1: Reparatur und Ausbau des Kanalnetzes
Abb. 1: Kontrolle, Wartung und Instandhaltung der Entwässerungssysteme sind fester Bestandteil der kommunalen Überflutungsvorsorge
Aber auch bei standardmäßiger Auslegung der kommunalen Entwässerungssysteme können Netzbetreiber das Überflutungsschutzniveau innerhalb der Siedlung aufrechterhalten und stärken, indem sie interne Zuständigkeiten gewissenhaft organisieren. Dies sind v. a.:
- sachgerechte Anlage und Ausstattung der Entwässerungsbauwerke (z. B. Rückstauschutz an Zuleitungen, Optimierung der Einlaufbauwerke, Sicherung der Stromversorgung für Pumpwerke in Geländesenken, Sicherstellen der Zugänglichkeit im Überflutungsfall)
- regelmäßige Wartung und Instandsetzung der Anlagenteile
- stetige Sicherstellung der hydraulischen Leistungsfähigkeit des Entwässerungsnetzes (z. B. Beräumung von Hindernissen, situative Kanalspülung)
- regelmäßige Kontrolle, Wartung und Reparatur der Kanalisation
Zusätzlich dazu können Kanalnetzbetreiber und Entwässerungsbetriebe im stetigen Austausch mit den Arbeitskreisen und Koordinierungsstellen des Starkregenrisikomanagements ausloten, wie Starkregenabflüsse aus der Kanalisation ferngehalten werden können. Innerorts bietet sich hierfür die schadensarme Abflusslenkung und gezielte Flutung dafür vorgesehener Flächen an. Zudem reduzieren Bausteine der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung die Abflussspitzen, wenn sie großräumig umgesetzt werden, z. B.:
- Rückhalt von Niederschlag auf (teil-)entsiegelten Flächen
- Bauwerksbegrünung (Dach-, Fassadenbegrünung)
- Regenwasserrückhalt auf Grundstücken und Flächen in Mulden, Zisternen, Rigolen o. ä.
- Entflechtung bzw. Abkoppelung von an das Kanalnetz angeschlossenen Grundstücksflächen
- Reduzierung der zulässigen Abwassereinleitung ins Kanalnetz (Zuflussdrosselung)
- Anreize für Privatpersonen durch Förderung und gesplittete Abwassergebühr
Hieran wird deutlich, dass eine Kombination der kommunale Überflutungsvorsorge mit privater Vorsorge empfehlenswert ist, um größtmöglichen Schutz vor Starkregenabflüssen zu erreichen.
Erläuterung:
■ rot/orange: schlecht bzw. Verschlechterung, negativer Einfluss
■ gelb: neutral bzw. nicht relevant, kein/kaum Einfluss
■ hellgrün: gut bzw. geringfügiger positiver Einfluss
■ grün: sehr gut bzw. positiver Einfluss
■ dunkelgrün: ausgesprochen gut bzw. deutlicher positiver EinflussParameter:
Wirkung: Effektivität der Maßnahme im Sinne der Klimaanpassung
Wirtschaftlichkeit: Kosten-Nutzen-Verhältnis (Initial- und Folgekosten)
Gestaltung: Raumwirkung, Beeinflussung des Lebensumfelds
Akzeptanz: Beeinflussung der Lebensqualität, mögliche Widerstände
Biodiversität: Beeinflussung der Artenvielfalt/Lebensräume
Nachhaltigkeit: Langlebigkeit/Beständigkeit, Ressourceneffizienz
Ansprechpartner
TMIL – Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft
(https://infrastruktur-landwirtschaft.thueringen.de/unsere-themen/verkehr-und-strassenbau)
TMUEN – Hochwasser- und Gewässerschuztz
(https://umwelt.thueringen.de/themen/boden-wasser-luft-und-laerm/hochwasser-und-gewaesserschutz)
TLUBN – Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz
(https://tlubn.thueringen.de/wasser)
Kommunale Entwässerungsbetriebe
Stadtplanungs-, Umwelt-, Grünordnungs-, Tiefbau- und Verkehrsamt
Landkreise und kreisfreie Städte (Untere Wasserbehörde)
Förderung
TMIL (Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft) (2020): Straßenbauförderung. Richtlinie zur Förderung von kommunaler Verkehrsinfrastruktur in Thüringen
(https://infrastruktur-landwirtschaft.thueringen.de/unsere-themen/verkehr-und-strassenbau/verkehrsinfrastruktur/foerderung)
TMUEN (Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz) (2020): Richtlinie über die Förderung des Hochwasserschutzes und der Fließgewässerentwicklung in Thüringen im Rahmen der „Aktion Fluss - Thüringer Gewässer gemeinsam entwickeln“ vom 21.08.2020
(https://www.aufbaubank.de/Foerderprogramme/Hochwasserschutz-und-Fliessgewaesserentwicklung-Foerderung)
Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – Kommunen
(https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Öffentliche-Einrichtungen/Kommunen/)