Kommunales Starkregenrisikomanagement
Starkregen fällt aus hochreichenden Wolken (z. B. Cumulonimbus) als große Niederschlagsmenge in kurzer Zeit auf ein meist kleines Gebiet. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt in 3 Stufen vor Starkregen, angefangen bei Warnstufe 1 mit 15-25 Litern pro Quadratmeter und Stunde bis hin zur extremen Warnstufe 3 mit über 40 Litern pro Quadratmeter und Stunde. Derartige Wassermassen übersteigen rasch die Aufnahmefähigkeit des Bodens und fließen oberflächlich ab. Auf abschüssiger Landschaft (Hügelland, Mittelgebirge) können sich daraus Sturzfluten mit großer Strömungsenergie und hohem Erosionspotenzial entwickeln, die rasch tieferliegenden Bereichen zufließen. Siedlungen sind durch ihren hohen Anteil an versiegelter und überbauter Fläche und damit einhergehend eingeschränkter Versickerung in den Untergrund besonders von Überflutungen durch oberflächlich abfließende Starkregenmassen betroffen. Aus wirtschaftlichen und technischen Gründen ist die kommunale Kanalisation häufig nicht für diese seltenen und extremen Ereignisse ausgelegt.
Abb. 1: Seltene und extreme Starkregen können überall fallen – kompletter Schutz ist unmöglich, Vorsorge umso wichtiger
Abb. 2: Starkregenrisikokarte der Ortslage Kesslar - die blauen Farbgebungen visualisieren die Höhe des Wasserstandes, gelbe bis rote Gebäudegrundrisse zeigen den Grad des Gefährdungsrisikos im Überflutungsmodellfall
Extreme Niederschläge werden als Folge des Klimawandels in Zukunft sehr wahrscheinlich häufiger und intensiver auftreten. Überflutungen durch Starkregen können, anders als Überschwemmungen durch Flusshochwasser, überall vorkommen. Jede Kommune kann betroffen sein. Ein vollständiger Schutz vor Starkregen ist jedoch nicht möglich, die Vorwarnzeiten sind kurz und die räumliche Genauigkeit der Vorhersage oft zu ungenau.
Umso wichtiger ist es deshalb, Überflutungen infolge von Starkregenereignissen frühzeitig als Handlungsfeld im Rahmen der strategischen Klimaanpassung als kommunales Starkregenrisikomanagement (SRRM) zu etablieren. Im Thüringer Landesprogramm Hochwasserschutz wurde die Erstellung eines Leitfadens zum kommunalen SRRM bereits aufgenommen.
Kernaufgabe des SRRM ist es, Maßnahmen zur Starkregenvorsorge zu planen und umzusetzen. Die wesentlichen Arbeitsschritte hierfür sind:
- Analyse der Starkregen- bzw. Überflutungsgefährdung (Starkregengefahrenkarte)
- Analyse des Schadenspotenzials
- Risikoermittlung und -bewertung
- kommunales Handlungskonzept
Abb. 3: Historische Wasserstandsmarken, hier an einem altem Wohnhaus in ca. 2 m Höhe, zeugen von vergangenen Überflutungen
Abb. 4: Vorgehen im kommunalen Starkregenrisikomanagement.
Der Schutz vor Starkregenrisiken ist eine kommunale Querschnittsaufgabe. Ein wichtiger Baustein in der Starkregenrisikovorsorge besteht in der Verantwortung der Gemeinde, ihre Anwohner und Wirtschaftenden durch Öffentlichkeitsarbeit und Risikokommunikation über Starkregenrisiken aufzuklären. Diese werden so zur objektbezogenen Eigenvorsorge sowie zur finanziellen Absicherung von Elementarschäden über eine Elementarschadenversicherung befähigt und sind ihrerseits in der Pflicht, Besitz und Grundstück vor Überflutungen zu schützen. Weitere kommunale Vorsorgebausteine betreffen die Gefahrenabwehr, wie die bauleitplanerische Vorsorge (Flächennutzungs-, Bebauungsplan) und technische Maßnahmen (z. B. Außengebietsentwässerung, kleinere Fließgewässer, Kanalnetz, Abflusslenkung, Notwasserwege, Regenwassermanagement).
Aufgabe der organisatorischen und administrativen Vorsorge ist es, alle Bausteine als ‚Gruppenintelligenz‘ zusammenzubringen, um gemeinsam Strategien und Lösungen zu erarbeiten. In größeren Gemeinden ist es sinnvoll, diese Koordinierungsaufgabe dem kommunalen Klimamanagement zu übertragen. Kooperation schont Ressourcen, hebt Synergien und schafft Akzeptanz. Relevante Akteure sind u. a.:
- Planungsämter (z. B. Stadtplanungs-, Umwelt-, Straßen- und Hochbauamt)
- Entwässerungsbetriebe
- Entscheidungsträger aus Politik und Bürgerschaft
- Rettungsdienste
- Katastrophenschutz
Abb. 5: Effektiver Schutz vor Starkregenrisiken gelingt durch kommunale Zusammenarbeit
Bewährte Arbeitsformate dafür sind bspw. ressortübergreifende Koordinierungsrunden, projekt- oder themenbezogene Arbeitskreise, ein runder Tisch zum Thema „Urbane Sturzfluten, Überflutungsvorsorge, Regenwassermanagement“ und die Aufstellung von Alarm- und Einsatzplänen für den Ernstfall. Konflikte können dabei frühzeitig erkannt und bearbeitet werden. Maßnahmen und Entscheidungen, die gemeinsam ausgehandelt werden, haben in der Regel größere Chancen auf Erfolg. Die Ergebnisse können in verschiedene Beschlüsse, Planwerke und Handlungskonzepte münden, u. a.:
- Leitbilder, Richtlinien, politische Zielvereinbarungen
- Konzepte zu den Themen Klimawandel, Überflutungsvorsorge, Verkehr
- Masterplan „Starkregenrisikovorsorge“
Werden diese behördenverbindlich verabschiedet, können sie dazu beitragen, das Thema im Verwaltungs- und Planungsalltag zu etablieren. Für die Umsetzung konkreter Maßnahmen ist es sinnvoll, die Verantwortung, Finanzierung und ggf. Wartung auf der kommunalen Landkarte klar zu definieren. Ein wichtiges Feld ist zudem die Starkregenrisikovorsorge im Bestand und auf privatem Eigentum. Dieser Baustein kann nur über Förderprogramme und Anreizsysteme (z. B. gesplittete Abwassergebühr, Förderrichtlinien) gesetzt werden.
Siehe auch: Gutes Beispiel "Kommunales Sturzflutkonzept Blankenhain"
Erläuterung:
■ rot/orange: schlecht bzw. Verschlechterung, negativer Einfluss
■ gelb: neutral bzw. nicht relevant, kein/kaum Einfluss
■ hellgrün: gut bzw. geringfügiger positiver Einfluss
■ grün: sehr gut bzw. positiver Einfluss
■ dunkelgrün: ausgesprochen gut bzw. deutlicher positiver EinflussParameter:
Wirkung: Effektivität der Maßnahme im Sinne der Klimaanpassung
Wirtschaftlichkeit: Kosten-Nutzen-Verhältnis (Initial- und Folgekosten)
Gestaltung: Raumwirkung, Beeinflussung des Lebensumfelds
Akzeptanz: Beeinflussung der Lebensqualität, mögliche Widerstände
Biodiversität: Beeinflussung der Artenvielfalt/Lebensräume
Nachhaltigkeit: Langlebigkeit/Beständigkeit, Ressourceneffizienz
Ansprechpartner
TMIL – Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft
(https://infrastruktur-landwirtschaft.thueringen.de/unsere-themen/verkehr-und-strassenbau)
TMUEN – Hochwasser- und Gewässerschuztz
(https://umwelt.thueringen.de/themen/boden-wasser-luft-und-laerm/hochwasser-und-gewaesserschutz)
AKTION FLUSS – Thüringer Gewässer gemeinsam entwickeln. (https://aktion-fluss.de/) (Thüringer Landesprogramme Hochwasserschutz und Gewässerschutz 2022 – 2027)
Stadtplanungs-, Umwelt-, Tiefbau-, Verkehrs-, Grünordnungsamt
Kommunale Entwässerungsbetriebe
BOS – Rettungsdienste, Katastrophenschutz
Förderung
Thüringen
Thüringer Städtebauförderungsrichtlinien (ThSt-BauFR)
(https://infrastruktur-landwirtschaft.thueringen.de/unsere-themen/bau/staedtebau/staedtebaufoerderung)
KlimaInvest – Kommunale Klimaschutz- und Klimafolgenanpassungsmaßnahmen
(https://www.aufbaubank.de/Foerderprogramme/Klima-Invest)
Förderung des Hochwasserschutzes und der Fließgewässerentwicklung in Thüringen im Rahmen der „Aktion Fluss -Thüringer Gewässer gemeinsam entwickeln“ (Erstellung von Starkregenkonzepte im Zusammenhang mit der Aufstellung der integralen Hochwasserschutzkonzepte an den Risikogewässern zweiter Ordnung
(https://www.aufbaubank.de/Foerderprogramme/Hochwasserschutz-und-Fliessgewaesserentwicklung-Foerderung)
Thüringer Aufbaubank
(www.aufbaubank.de)
Bund
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH - Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel
(https://www.z-u-g.org/aufgaben/foerderung-von-massnahmen-zur-anpassung-an-den-klimawandel/)
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH - Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen
(https://www.z-u-g.org/aufgaben/klimaanpassung-in-sozialen-einrichtungen/)